Proteinreduzierte Säuglingsnahrung kann das Risiko für Adipositas im späteren Leben reduzieren

Studien lassen den Schluss zu, dass eine hohe Proteinaufnahme im Säuglingsalter das Risiko für Adipositas im späteren Leben erhöhen kann.1,2,3,4

Experten empfehlen daher, das Stillen als optimale Ernährung des Säuglings weiter zu fördern und den Proteingehalt von Säuglingsnahrungen zu reduzieren. Die neue EU-Verordnung macht dies möglich durch die Absenkung des Mindestgehaltes an Protein nun auch in Folgenahrungen.5

Protein

Ein hoher Proteingehalt in Säuglingsnahrung entsprach zwar den bislang gültigen gesetzlichen Regelungen, bildete aber, wie man heute weiß, nicht die Proteinzufuhr durch die Muttermilch ab. Ihre Zusammensetzung ist dynamisch, d.h. sie verändert sich, um sich an den Nährstoffbedarf des Kindes anzupassen.6,7 In den ersten Wochen enthält sie noch relativ viel Protein. Später reduziert sich physiologisch ihr Proteingehalt (Abb. 1).

Im Laufe der frühkindlichen Entwicklung ändern sich also die Nährstoffanforderungen und der Proteinbedarf nimmt mit abnehmender Wachstumsgeschwindigkeit kontinuierlich ab. Nach der sogenannten „Frühen-Protein-Hypothese“ kann diese Absenkung des Proteingehalts einen optimalen Wachstumsprozess des Kindes unterstützen. Eine zu hohe Proteinzufuhr im Säuglingsalter führt unter anderem zu vermehrter Fettzellenbildung, beschleunigter Gewichtszunahme und zur frühen Programmierung eines langfristigen Adipositasrisikos, besagt die Hypothese, die durch die große europäische CHOP-Studie (EU Childhood Obesity Project) bestätigt wurde.8 Eine verringerte Proteinaufnahme von Säuglingen - durch Stillförderung wie auch durch  Absenken des Proteingehalts in Säuglingsnahrungen - könnte also zu einer langfristig gesunden Gewichtsentwicklung beitragen, so  Dr. Mike Poßner, Direktor des Nestlé Nutrition Institutes. Wichtig sei eine gleichzeitig erhöhte Proteinqualität, um alle für den Wachstumsprozess wichtigen Inhaltsstoffe wie z.B. die essentiellen Aminosäuren in optimaler Zusammensetzung trotz Reduktion der Quantität bereitzustellen.

Nach den Worten von Dr. Poßner, hat Nestlé bereits in der Vergangenheit immer wieder Forschungsprojekte angestoßen, die sich mit der Möglichkeit einer Optimierung der Säuglingsernährung befassen. So wird seit Jahren intensiv der Zusammenhang zwischen einer Überversorgung an Protein in den ersten Lebensmonaten und dem Risiko für Übergewicht erforscht. Es zeigte sich, dass die adipöse Konditionierung der Kinder negative Folgen für die Gewichtsentwicklung hat, die sich bis ins Erwachsenenalter auswirken kann. Unter anderem aufgrund der Studienergebnisse von Nestlé kam die EU zu dem Schluss, die Untergrenze des Proteingehalts in Folgenahrung von 1,8 g auf 1,6 g / 100 kcal herabzusetzen. Dies wurde auf Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nun in der neuen EU-Verordnung (Delegierte Verordnung [EU] 2018/561, gültig ab 22.2.20) umgesetzt. Ab sofort ist es daher möglich, nicht gestillten Kindern ein altersoptimiertes Stufensystem anzubieten, das den Einsatz einer Folgenahrung mit bedarfsgerecht reduziertem Proteingehalt erlaubt.

Wie Dr. Poßner ausführt, bietet sich seit Inkrafttreten der neuen Verordnung erstmals die Möglichkeit, Säuglingsanfangs- und Folgenahrung im Sinne eines neuen Stufensystems anzubieten, das die physiologischen Verhältnisse der Proteinaufnahme beim Stillen während des ersten Lebensjahrs besser abbildet und ein zu hohes Wachstum des Säuglings durch zu viel Protein vermeiden lässt. Dr. Poßner betont, dass das Stillen natürlich immer die beste Nahrung für Säuglinge darstellt. Sollten Mütter jedoch nicht oder nicht ausreichend stillen können, gelte es, dem Säugling eine Ernährung anzubieten, die der eines gestillten Säuglings möglichst nahekommt.

Fundierte Information ist nun wichtig, um in der Schwangeren- und Elternberatung davon zu überzeugen, dass eine zu proteinreiche Säuglingsnahrung problematisch ist und ein „zu gut“ gedeihender Säugling in Richtung Adipositas konditioniert werden kann. So kann das neue dynamische Stufensystem mit altersangepasstem Proteingehalt in Folgenahrung langfristig gesundes Wachstum unterstützten.

Protein Abb 1

Abb. 1: Der Proteinbedarf des Säuglings ist nicht konstant, sondern nimmt ab.
Quelle: mod. nach Fomon SJ et al. 1982: ACJN 35; Suppl 5: 1169-75

Literatur

  • Haschke F et al.: Metabolic Programming: Effects of Early Nutrition on Growth, Metabolism and Body Composition. In: Bhatia J, Shamir R, Vandenplas Y (eds): Protein in Neonatal and Infant Nutrition: Recent Updates. Nestlé Nutr Inst Workshop Ser, 86, (2016), 87-95
  • Ziegler EE: Kann Säuglingsmilchnahrung mit niedrigem Proteingehalt zur Lösung des Adipositasproblems beitragen? Das NEST 38, 2016, 6-7
  • (lnostroza J et al.: Säuglingsmilchnahrung mit niedrigem Proteingehalt senkt die Gewichtszunahme bei Kleinkindern mit übergewichtigen Müttern. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2014;59:70-77)
  • Alexander DD et al.: Growth of infants consuming whey-predominant term infant formulas with a protein content of 1.8 g/100 kcal: a multicenter pooled analysis of individual participant data. Am J Clin Nutr. 2016 Sep 7
  • https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018R0561&from=DE
  • Thakkar SK, Erdmann P, Destaillats F: Was wissen wir über die Entwicklung von Proteinen in der Muttermilch? NEST 38, (2016), 2-3
  • Lönnerdal, B, Hemell, O: An Opinion on "Staging" of infant formula - a developmental perspective on in fent feeding. JPGN Journal of Pediatric Gastroenterology and Nutrition 2015 Apr 2.


Quelle: 2. Irschenberger Pädiatertreff, 17. November 2018 in Irschenberg.
Veranstalter: Nestlé Nutrition GmbH, Frankfurt a. M.
Bericht: Dr. Till U. Keil