Evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen für Frühgeborene und Neugeborene im Überblick
Der Artikel „Ernährung von Früh- und Neugeborenen: Evidenzbasierte Empfehlungen“ von Frau Prof. Haiden bietet einen Überblick
über aktuelle Leitlinien, wissenschaftliche Studien und praxisrelevante Ansätze zur Ernährung von reifgeborenen und frühgeborenen
Säuglingen. Besonders Frühgeborene erfordern spezifische ernährungsmedizinische Strategien, um ihren besonderen Bedürfnissen
gerecht zu werden.
Muttermilch als Goldstandard
- Muttermilch gilt als der Goldstandard für die Ernährung von Säuglingen, da sie eine individuelle Zusammensetzung aufweist, die optimal auf die Bedürfnisse des Säuglings abgestimmt ist.
- Sie enthält die ideale Nährstoffzusammensetzung, die für das Wachstum und die Entwicklung unerlässlich sind.
- Die immunologische Schutzfunktion der Muttermilch wird unter anderem durch Oligosaccharide gestärkt, die das Wachstum gesunder Darmbakterien, wie Bifidobakterien, fördern.
- Das Risiko für bestimmte Erkrankungen kann durch Muttermilch gesenkt werden.
Zufüttern in den ersten Lebenstagen
- Die European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) empfiehlt, in den ersten Lebensmonaten ausschließlich zu stillen. Nach der Beikosteinführung kann weitergestillt werden, solange es von Mutter und Kind wünschen.
- Zufüttern sollte nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen, wobei besondere medizinische oder gesundheitliche Bedürfnisse eine Indikation darstellen können.
- Die bevorzugten Optionen für die Zufütterung sind abgepumpte Muttermilch oder Spenderinnenmilch. Falls diese nicht verfügbar sind, sollte Säuglingsanfangsnahrung gegeben werden.
- Partielle hydrolysierte Säuglingsanfangsnahrung kann vorteilhaft für die beschleunigte Bilirubinausscheidung sein.
- Glucosegel kann bei neonataler Hypoglykämie eingesetzt werden.
- Der routinemäßige Einsatz von Aminosäurenformeln und extensiven Hydrolysaten zum Zufüttern wird nicht empfohlen.
Säuglingsmilchnahrungen
- Pre-Nahrungen sind der Muttermilch am ähnlichsten und eignen sich in den ersten Lebensmonaten als alleinige Nahrung.
- Der Wechsel auf Folgenahrung bietet im Allgemeinen keinen gesundheitlichen Vorteil, es sei denn, es werden Folgemilchen mit reduziertem Proteingehalt und Eisenanreicherung verwendet. Eine Folgenahrung mit reduziertem Proteingehalt ist empfehlenswert, um das Adipositasrisiko zu senken.
- Langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie ARA und DHA, sind wichtig für die Gehirnentwicklung.
- Prä- und Probiotika können positive Effekte auf das Darmmikrobiom und das Immunsystem haben.
- HA-Nahrungen sind bei Säuglingen mit familiärem Risiko für atopische Erkrankungen indiziert, sollten jedoch nur empfohlen werden, wenn ein entsprechender Wirkungsnachweis in klinischen Studien vorliegt.
Ernährung von Frühgeborenen
- Die Empfehlungen zur Ernährung von Frühgeborenen orientieren sich an den aktuellen ESPGHAN-Empfehlungen zur
Beurteilung des Wachstums, Nahrungsaufbau, Supplementierung von Muttermilch und Ernährung nach Klinikentlassung. - Das Wachstum sollte anhand der Fenton-Wachstumskurven kontrolliert werden. Der Nahrungsaufbau sollte so schnell wie möglich erfolgen, um Infektionsrisiken zu minimieren. Die sichere Steigerung der enteralen Ernährung liegt bei 18–30 ml/kg/Tag. Die Zielmenge für ein adäquates Wachstum beträgt 150–180 ml/kg/Tag. Die parenterale Ernährung kann ab einer enteralen Ernährung von 135 ml/kg/Tag beendet werden.
- Muttermilch reduziert sowohl Morbidität als auch Mortalität bei Frühgeborenen. Die Anreicherung der Muttermilch mit Muttermilchfortifiern wird ab einer enteralen Zufuhr von 40–100 ml/kg/Tag empfohlen, um eine ausgewogene Nährstoffzufuhr zu gewährleisten.
- Eine Supplementierung von Eisen und Vitamin D ist ebenfalls empfohlen.
- Nach der Entlassung sollten Frühgeborene mit Muttermilch oder Säuglingsmilchnahrung ernährt werden. Bei Bedarf an Aufholwachstum (siehe Tabelle) ist ein erhöhter Nährstoffbedarf zu decken, wobei das richtige Energie-Protein-Verhältnis entscheidend ist.
Zusammenfassung
- Muttermilch stellt den Goldstandard für reifgeborene Säuglinge dar.
- Eine Alternative zur Muttermilch können Säuglingsmilchnahrungen bieten.
- Das Zufüttern ist nur unter besonderer Indikation erforderlich.
- Bei Frühgeborenen ist jedoch eine individuelle Strategie erforderlich, die angereicherte Muttermilch, spezielle Säuglingsnahrung und gezielte Supplementierung umfasst, um den besonderen Ernährungsbedürfnissen gerecht zu werden.
Referenzen
Haiden N (2025). Ernährung von Früh- und Neugeborenen: Evidenzbasierte Empfehlungen. Kinder- und Jugendarzt. 481–488
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